In den USA leben und arbeiten – die Greencard Lotterie als Türöffner zu neuen Möglichkeiten
Stereotypen über uns Deutsche gibt es viele, und einige von ihnen enthalten vielleicht sogar ein Körnchen Wahrheit. So stehen wir bei unseren europäischen Nachbarn seit langem in dem Ruf, gern und viel zu arbeiten und uns anschließend mit ein oder vielleicht sogar zwei schönen Urlaubsreisen in ferne Länder zu belohnen. Dieses Klischee trifft heute jedoch aufgrund geänderter ökonomischer Bedingungen nur noch begrenzt zu. Wir wechseln unsere Arbeitsstellen häufiger als die Generation unserer Eltern das tat, und dazwischen gibt es zeitliche Lücken, die sich nicht nur auf den Geldbeutel auswirken, sondern unseren Alltag auch weniger planbar machen. Als Aussteiger fühlen wir uns aber nicht, eher schon als Dauereinsteiger. Wer dabei den Blick auf die Lebenskarriere nicht verlieren will, für den wird die Suche nach der nächsten Arbeitsstelle gleichbedeutend mit dem nächsten Schritt auf der Karriereleiter, oder zumindest der notwendigen Vorbereitung darauf. Insbesondere für reiselustige junge Arbeitnehmer liegt daher der Wunsch nahe, das Angenehme mit dem Notwendigen zu verbinden und eine Weile im Ausland zu arbeiten.
Für viele gibt es einen Zeitpunkt im Leben, wo die Zeit einfach reif ist, neue Erfahrungen zu sammeln, den Horizont zu erweitern und ein kleines Abenteuer zu erleben, oder auch Chancen wahrzunehmen, die es vielleicht später in der Form nicht mehr geben wird. Deutschland ist mittlerweile nicht nur ein Einwanderungs-, sondern auch ein Auswanderungsland geworden. Viele von uns haben das nötige Taschengeld, eine kurze Durststrecke im Ausland ohne allzu große Entbehrungen zu überstehen. Denn anstatt uns unkontrolliert dem Konsum hinzugeben und resultierende Kreditkartenschulden schlicht und einfach mit Hilfe einer neuen Kreditkarte zu begleichen, fühlen wir uns fast schon moralisch verpflichtet, mit Geld bedachtsam umzugehen. Für die Zukunft zu planen bedeutet für uns in der Regel nicht, bereits mit Anfang Zwanzig ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, die dann vierzig Jahre lang abbezahlt werden muss. Zur Miete zu leben ist hierzulande kein Makel, sondern ermöglicht Mobilität. Und die ist für zielbewusste, gut ausgebildete junge Männer und Frauen nicht nur zur Tugend, sondern fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer etwas auf sich hält, folgt dem Arbeitsmarkt. Die Karriere hat Vorrang, zumindest solange, bis eine Familiengründung ansteht oder die Kinder noch klein sind. Wenn nicht jetzt, wann denn? Unsere Sprachkenntnisse sowie unsere schulischen und Bildungsabschlüsse können im internationalen Vergleich gut mithalten und geben uns das nötige Selbstbewusstsein, dieser selbst gestellten Herausforderung gewachsen zu sein. Vom unternehmungslustigen Hochschulabsolvent über den gutausgebildeten Facharbeiter bis hin zum Unternehmensgründer mit zündender Geschäftsidee können sich viele junge Deutsche zunehmend auch eine Zukunft im Ausland vorstellen.
Viele, aber nicht alle zieht es dabei in europäische Länder. Sofern man der Landessprache mächtig ist, räumen die mit der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union einhergehenden Regelungen bürokratische Hindernisse weitgehend aus dem Weg. Sie erleichtern damit manchem die Entscheidung, seine in vieler Hinsicht abgesicherte Existenz in Deutschland mit der Unsicherheit eines Neuanfangs ohne das gewohnte soziale Netz von Freunden und Familie zu vertauschen. Wenn man jedoch verstehen will, warum das Fernweh so viele von uns nicht nur zu unseren europäischen Nachbarn, sondern in weite Ferne lockt, ist eine Erklärung wohl eher in psychologischen Gründen zu finden. Nicht nur sind die Länder der EU näher zusammengerückt, was manchem seine Berührungsängste nimmt, sondern auch geografische Fakten der Entfernung und der Klimazonen werden im Zeitalter erschwinglicher Flugreisen anders wahrgenommen. Alle Länder scheinen irgendwie näher zusammenzuliegen, und wir fühlen uns schon fast als als Weltbürger. Und nicht zuletzt gibt es die tief in unserem Unterbewusstsein verwurzelte Kombination aus Neugierde und Hoffnung, die manchen dazu veranlasst, sich insgeheim zu fragen, ob das Gras woanders vielleicht grüner ist. “Wenn schon, denn schon!” fasst ein junger Familienvater seine Entscheidung für das Auswandern in die USA enthusiastisch zusammen. Das Wort Nachbarn sagt es ja schon – eben mal nach nebenan zu gehen ist halt keine Reise, sondern doch eher dasselbe in Grün. In den Augen vieler genügt das nicht dem Kriterium des Abenteuers, der Chance, die einem vielleicht nur einmal im Leben geboten wird.
Unsere Abenteuerlust macht uns dennoch nicht zu blinden Fanatikern, die für einen verschwommenen Traum von Reichtum und unbegrenzten Möglichkeiten ihre Existenz und rechtlichen Status aufzugeben bereit sind. Im Gegensatz zu den 11 Millionen Menschen, die mangels nennenswerter Entwicklungsmöglichkeiten in ihrem Heimatland in Umgehung offizieller Wege illegal in die USA eingewandert sind oder sich dort ohne Erlaubnis aufhalten, mit all den Nachteilen und Hindernissen, die ihr Status als Illegaler mit sich bringt, sind wir trotz aller Abenteuerlust eher vorsichtige Realisten mit Rückfahrkarte, die sich bis zuletzt alle Möglichkeiten offenhalten. Nur sehr begrenzt sind wir bereit, für unsere Träume Aufwand zu betreiben und Opfer zu bringen. Eine Geisteshaltung, der die mit wenig Aufwand verbundene, risikoarme Prozedur der Greencard Lotterie durchaus entgegenkommt.
Kapitel 1: Was ist die Greencard Lotterie?
“Green Card” ist die umgangssprachliche Bezeichnung einer Ausweiskarte für Ausländer, die in die USA eingewandert sind. In der Behördensprache wird sie “United States Permanent Resident Card (PRC)” genannt und dient als Beweis dafür, dass der Inhaber dieser Karte die Erlaubnis hat, dauerhaft in den USA zu leben und zu arbeiten. Oft bezieht sich der Begriff aber eher auf die behördlichen Einwanderungsabläufe, die zur Erlangung der Karte geführt haben. In diesem Zusammenhang werden Greencards von der US-Regierung offiziell als “Diversity Immigrant Visa” (abgekürzt DV) bezeichnet. Das beinhaltet die nach der ersten Einreise zeitlich unbegrenzte Erlaubnis, in den Vereinigten Staaten von Amerika zu leben und zu arbeiten. Auch das Studieren oder eine unternehmerische Selbständigkeit ist mit einer Greencard möglich. Im Gegensatz zu manchen anderen Visa benötigt man für ein Diversity Visum keine persönliche Bürgschaft eines Sponsors. Der Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft kann später folgen, wenn der Einwanderer dies wünscht. Seit 1995 vergibt das Außenministerium der USA jedes Jahr 55.000 dieser Einwanderungsvisa nach dem Verlosungsprinzip an Bewerber aus Ländern, die bei den Einwandererzahlen in den letzten fünf Jahren unterrepräsentiert waren.
Die Vergabe von US-Visa ist im “Immigration and Nationality Act” (INA) geregelt, in dessen Rahmen jedes Jahr die Anzahl der erhältlichen “Diversity Immigrant Visa” festgelegt wird. Diese Gesamtzahl wird auf die verschiedenen Visakategorien und Weltregionen verteilt.
Die Einwanderungsgeschichte der USA war nämlich lange Zeit dominiert von einigen wenigen großen Ländern mit hochausgebildeten Arbeitskräften auf der einen Seite, wie z.B. China und Indien, und Ländern mit starken Familienbindungen in die USA wie z.B. Mexico und die Philippinen auf der anderen Seite. Dieses Missverhältnis bei den zuwandernden Nationalitäten wollte das Parlament ausgleichen und hat daher im Jahr 1990 mit Absatz 203(c) des “Immigration and Nationality Act” (INA) die gesetzliche Grundlage für die Greencard Lotterie geschaffen. Im Gesamtbild der Visavergabe betrachtet ist das Lotterieverfahren allerdings wenig mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, belaufen sich die in der Lotterie vergebenen Greencards doch nur auf 5% der legalen Einwanderungen.
5.000 von diesen 55.000 Visa sind im Rahmen des NACARA-Programms speziell für Bewerber aus Nicaragua, Guatemala, Kuba und El Salvador reserviert. Das Restkontinent von 50.000 Visa wird unter den berechtigten Ländern aufgeteilt, die sechs geografischen Regionen zugeordnet sind: Afrika, Asien, Europa, Nordamerika, Ozeanien und Südamerika, Zentralamerika und die Karibik. Im Ergebnis darf jedes Land pro Jahr maximal 7% der zur Verfügung stehenden Greencards auf sich vereinen.
Gegenwärtig können sich alle europäischen Staatsangehörigen mit Ausnahme von Großbritannien bewerben. Für die Teilnahme an der Lotterie zählt grundsätzlich das Geburtsland des Bewerbers, aber es gibt Ausnahmen. Wenn z.B. der Bewerber aus einem nicht berechtigten Land kommt, sein Ehepartner aber aus einem der berechtigten Länder, kann der Bewerber sich dem Geburtsland seines Ehepartners zurechnen lassen, wenn er diesen auf seinem Formular mit einträgt, beide Ehepartner ein Visum erhalten und gleichzeitig in die UA einreisen. Auch wenn keines der Elternteile des Bewerbers in seinem Geburtsland selbst geboren wurde oder zur Zeit seiner Geburt dort fest ansässig war, kann der Bewerber eines der Geburtsländer seiner Elternteile als Land angeben. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Eltern sich in dem Land nur besuchsweise aufgehalten haben, dort stationiert oder vom Arbeitgeber dorthin entsandt waren.
Vor Einführung der Verlosung standen Einwanderern nur die traditionellen Wege der Vergabe von Arbeitsvisa offen, die im Ablauf mitunter recht kompliziert sein können.
Der Bewerbungsprozess für die Greencard Lotterie hingegen ist nicht nur schnell und unkompliziert, sondern erfordert auch nur wenige Vorbedingungen. Volljährige Bürger einer der berechtigten Bewerberländer müssen die Hochschulreife erworben haben oder ersatzweise über zwei Jahre Berufserfahrung verfügen, und darüber hinaus ein vorstrafenloses Führungszeugnis vorweisen können. Hochschulreife meint hier eine erfolgreich abgeschlossene Schulbildung mit Grund- und weiterführender Schule von insgesamt 12 Jahren. Die zugelassenen Formen der Hochschulreife beinhalten also auch das deutsche Fachabitur und das fachgebundene Abitur. Die erforderliche Berufserfahrung muss in den letzten 5 Jahren erworben worden sein, und zwar in einem im Rahmen der Greencard Lotterie anerkannten Beruf, der eine mindestens zweijährige Ausbildung oder Erfahrung erfordert. Hier gibt im Zweifelsfall die Datenbank O*Net On-Line der amerikanischen Arbeitsagentur, genannt U.S. Department of Labor, Auskunft. Sie ist unter http://www.onetonline.org/ einsehbar und enthält in übersichtlicher Form, aber sehr detailliert alle Berufe mit ihren Aufgaben, Tätigkeiten, nötigen Fähigkeiten, um nur einige der vielen Informationen zu nennen. Wer mit seiner ins Englische übersetzten Berufsbezeichnung in der Stichwortsuche nicht gleich fündig wird, wählt im Eingabefeld “Find Occupations” den Begriff “Job Family” aus und bekommt dann die entsprechende Berufsliste angezeigt. Im sogenannten “Summary Report” der Berufsbeschreibung findet sich die für die Greencard Lotterie relevante Information im Abschnitt “Job Zone”. Die für das Kriterium der Berufserfahrung anerkannten Berufe müssen hier nämlich einen Job Zone-Wert von 4 oder 5 und eine Berufsvorbereitungsrate (im Englischen mit SVP abgekürzt, das steht für “Specific Vocational Preparation”) von mindestens 7.0 aufweisen. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Tätigkeit als Verkäufer, Kellner oder Kundendienstmitarbeiter nicht berücksichtigt werden kann. Für Ehepartner und unverheiratete Kinder unter 21 Jahren, die auf dem Greencard-Antrag zur Greencard-Verlosung zwingend mit eingetragen werden müssen, gilt die Erfordernis der Hochschulreife oder der entsprechenden beruflichen Erfahrung jedoch nicht. Belegen muss der Bewerber die Erfüllung der Voraussetzungen allerdings erst zum Zeitpunkt des Visaantrags, falls seine Teilnahme an der Lotterie erfolgreich war.